Wanderlust im amerikanischen Südwesten
Wanderlust - laut Wikipedia "die Lust am Wandern, den steten inneren Antrieb, sich zu Fuß die Natur und die Welt fern der Heimat zu erschließen". Kein Wort, das zu meiner Amerikareise im September vergangenen Jahres wohl besser gepasst hätte und sogleich alle Erlebnisse in nur einem Ausdruck so treffend zusammenfasst. Nie zuvor in meinem Leben bin ich Wandern gewesen und nie zuvor wurde ich derart von der Natur überrascht und überwältigt wie auf unserem 18-tägigen Roadtrip durch vier Bundesstaaten des amerikanischen Südwestens. Ganz à la "Der Wanderer über dem Nebelmeer" von Caspar David Friedrich.
Gestartet sind wir vier Musketiere, wie viele gleichgesinnte Wanderer, in der Stadt der Reichen und Schönen, die uns sogleich mit angenehmen 35°C im Schatten und sanft die Atemwege umschmeichelnden Smog in Empfang genommen hat. Ideale Bedingungen also, um fußläufig unterwegs zu sein. Allerdings muss man an dieser Stelle nichtsdestotrotz eine Lanze für Los Angeles brechen - die Stadt hat sich wirklich gemacht. Besonders Downtown ist zu einem absoluten Hotspot geworden, aber das wisst ihr sicherlich alle schon. Geschlafen haben wir im trendigen Artist District in diesem Ho(s)tel. Klasse Kaffee und formidables Avocadotoast zum Start in den gejetlagten Tag gab's bei Groundwork Coffee gleich um die Ecke.
Wirklich viel Zeit zum Akklimatisieren hatten wir dann aber erst mal nicht, denn die Straße rief und weiter ging's geschwind wie der Wind nach Palm Springs. In die mondäne Wüstenoase, die als Zufluchtsort großer Darsteller fast genau einhundert Meilen von Los Angeles entfernt entstanden ist. Viele Schauspieler waren damals tatsächlich vertraglich an diese Distanz gebunden und durften diese in ihrer Freizeit nicht überwinden. Heutzutage ist die Stadt zudem als Ort feierwütiger Influencer bekannt, die sich einmal im Jahr beim berühmten Coachella Festival die Klinke in die Hand geben.
In erster Linie führte uns aber die zeitgenössische Kunst an diesen surrealen Ort, der im Frühjahr diesen Jahres zum ersten Mal die Biennale Desert X ausgerichtet hat. Künstler waren hierfür eingeladen, sich aktiv mit der einzigartigen Landschaft auseinanderzusetzen, bzw. mit ihr in einen Dialog zu treten. Einige Installationen, wie z.B. Mirage von Doug Aitken, waren, zu unserem Glück, bis Ende Oktober mehr oder weniger frei zugänglich - je nach persönlichem Verhandlungsgeschick.
Joshua Tree National Park - Las Vegas - Historic Route 66 - Flagstaff - Grand Canyon South Rim: vierhundertsechs Meilen und gefühlt sechs Klimazonen später, durften wir am Hopi Point den fantastischsten Sonnenuntergang erleben, den wir jemals gesehen haben! Obwohl ab Flagstaff bewölkt und regnerisch, brach genau zum richtigen Zeitpunkt der Himmel auf und erfüllte den gesamten Canyon mit gleißend rotem Licht - auf Bildern leider oder vielleicht auch zum Glück, nicht einzufangen. So etwas gibt es ausschließlich in der analogen Welt!
Zum ersten Mal wurden nun auch tatsächlich die Wanderschuhe geschnürt und bei einem lockeren Marsch vom Pima Point zum Maricopa Point endgültig eingelaufen. Sprachlos machten uns vor allem die fantastischen Aussichten entlang der Schlucht.
Haben wir am Grand Canyon noch gedacht, wir seien auf dem Mond, so hatten wir knapp drei Autostunden später bereits das Gefühl, auf den Mars katapultiert worden zu sein. Besonders berühmt ist diese surreale Landschaft als Drehort zahlreicher Western. Ihr Name? Monument Valley - und ihre ikonischen eisenoxid-roten Tafelberge mit so klingenden Namen wie Elephant Butte oder Three Sisters sind tatsächlich das monumentalste, das ich in meinem bisherigen kurzen Leben gesehen habe.
Ein Besuch ist meinerseits wirklich dringend zu empfehlen und auf keinen Fall auslassen solltet ihr dabei die dreistündige Autotour mit eigenem Fahrzeug. Ein SUV oder Geländewagen sind hier ob der staubigen Bedingungen unabdingbar. Wirklich formidabel geschlafen haben wir zudem in der Goulding's Lodge. Stilecht in einer kleinen Hütte mit Veranda inmitten der roten Skulpturen.
Wer denkt, man hat schon jetzt genug für ein ganzes Leben gesehen, der irrt! Nur zwei Stunden entfernt lagen mit dem sagenhaften Antelope Canyon und der Horseshoe Bend die nächsten Highlights auf unserer Strecke.
Beim Antelope Canyon sollte ihr auf jeden Fall darauf achten, dass ihr eine Tageszeit mit gutem Lichteinfall (morgens oder nachmittags) erwischt, damit dieser in seiner ganzen Pracht erstrahlen kann. Guckst du:
In Utah fand ich meine wahre Berufung: ein Leben als Kuh auf den saftigen, grünen Wiesen dieses atemberaubend schönen Bundesstaats! Zudem wartete hier auch zugleich die größte physische und psychische Herausforderung des ganzen Trips auf uns: der Angels Landing Trail im faszinierenden Zion National Park. Long Story short: wir sind nicht bis zur Spitze gekommen, da die unkalkulierbaren Menschenmassen insbesondere mir den letzten Rest gegeben haben und ich mich, nach einer kleinen Panikattacke und intensivem Tree Hugging, mit diesem fantastischen Ausblick zufrieden gegeben habe:
Ich kann euch daher wirklich nur ans Herz legen, besonders früh zur Wanderung aufzubrechen, um möglichst allein an den Ketten von Angels Landing zu hängen.
Kennt ihr das, dieses Gefühl, dass wirklich alles möglich ist? Alles machbar? Alles grenzenlos? Das konnte mir bisher nur eine Stadt vermitteln: New York City. Unangefochten stand sie da auf Platz Nummer eins und hat nun doch mächtig Konkurrenz bekommen. Von niemand Geringeres als dem Urgestein der amerikanischen Nationalparks, dem legendären Yosemite National Park mit seinen anmutigen Granitfelsen. Kein Wunder also, dass ein ebenso legendäres Tech-Unternehmen aus Cupertino sich bei der Benennung diverser Betriebssysteme hat inspirieren lassen. Half Dome und El Capitan lassen ein Gefühl unbeschreiblicher Freiheit aufkommen!
Kleiner Tipp am Rande: einzigartig geschlafen haben wir in Tent Cabins im Half Dome Village. Make sure it's heated though!
Von dort ist es zudem nur ein Katzensprung zu den Nevada und Vernal Falls. Startet eure Wanderung auf jeden Fall auf dem John Muir Trail und nutzt den Mist Trail als Rückweg. Eure Beine und euer Atem werden es euch danken...
Zu San Francisco ist eigentlich nicht viel zu sagen... sie ist die schönste Stadt der USA!
Zurück nach Los Angeles ging es bien sûr über den legendären Highway 1 mit großartigen Stops in Monterey, Big Sur und Santa Barbara.
Was bleibt, ist der Zauber des amerikanischen Südwestens und die Gewissheit, dass Reisen das einzige Glück ist, das man mit Geld kaufen kann.
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